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Assistenz

Strukturelle Respektlosigkeit

Viele kennen es: nach der Begegnung mit einer Person fühlt man sich irgendwie unangenehm. Es dauert ein bisschen, dann gesteht man es sich auch ein. Und dann beginnt das Karussell der Überlegungen, was dieses Gefühl eigentlich verursacht.

Die Person war nicht unhöflich, nicht ruppig. Sie hat keine Beleidigungen ausgesprochen. Im Gegenteil, sie war ausgesucht freundlich, mit Gesten, Augenaufschlag, im Ausdruck wertschätzend, in der Ansprache gewinnend.

Das Missgefühl bleibt bestehen, obwohl es sich keiner einzelnen Handlung zuordnen lässt. Das Karussell streift kurz die Frage nach Übergriffen – das war es auch nicht, weder durch Wort noch Tat. Gut, denkt man, es war ein anstrengender Tag, ich war überempfindlich. Aber das Gefühl geht über Zeit nicht weg, es wird nicht stärker, aber es ist immer da und bohrt.

Die nächste Begegnung verläuft ebenso: keine eindeutig übergriffigen Handlungen oder Worte, aber ein deutliches Störgefühl, sogar ein Schmutzgefühl. Was ist das?

Die Überlegungen drehen sich weiter fruchtlos im Kreis. Erst deutlich später hält das Karussell an einer Stelle, an der man zum ersten Mal eine Art Dreieck sieht: Das Verhalten der Person zu mir, zu anderen in der Situation, und das Verhalten dieser anderen mir gegenüber.

Ah.

Es ist die Wirkung des Handelns dieser Person. Zwischen demonstrativer Wertschätzung und der tatsächlichen Zusammenarbeit besteht eine Diskrepanz, die das Unterbewusste zur Kenntnis genommen hat. Kleinere, unterschwellige Gedankenlosigkeiten und Rücksichtslosigkeiten fallen auf. Dabei bleibt es nicht: auch Dritte haben sich in der Anwesenheit dieser einen Person und bei der gemeinsamen Zusammenarbeit anders verhalten, sind anders aufgetreten als im bisherigen, gewohnten Verhältnis.

Diese Person hat mich in der Rolle der Assistenz gesehen. In einer klassischen untergeordneten, rangniederen Rolle. Zu solchen ist man nett, aber im Handeln kann man nachlässig sein. Und so, meine Lieben, definiert sich strukturelle Respektlosigkeit.