Kategorien
Assistenz

Der Griff nach dem Privaten

Kurz vor dem Ende meiner Zeit bei einem lange verflossenen Arbeitgeber wurde die gesamte Belegschaft vom Marketing in einem persönlichen Gespräch dazu aufgefordert, für Leads zu sorgen, bei Erfolg sollte es einen Bonus geben. Ich überlegte, ob ich als Assistenz allen Ernstes bei Freunden, Nachbarn und Studienkolleginnen fragen sollte, ob sie vielleicht Lust auf ein High-End-Beratungsprojekt hätten. Die Verzweiflung dieser Marketingmenschen über ausbleibende Aufträge nach einem Jahr versäumter Kundenansprache war mit Händen zu greifen, aber das gesamte Unterfangen war so absurd, dass ich einfach neutral ablehnte.

Ein Tauschhandel

Im Grunde handelte es sich um den Vorschlag zu einem Tauschhandel: Du lieferst Geschäftskontakte aus deinem Bekanntenkreis außerhalb der Organisation, damit trägst du zum Fortbestehen dieser Organisation bei. Kurz: private Connections gegen Arbeitsplatzerhaltung, garniert mit einem Bonus.

Ich hatte bisher in dieser Position durchaus schon Sonderaufgaben übernommen, aber diese waren immer im Rahmen der Assistenz-üblichen Tätigkeiten gewesen. Dazu kam: Jeder Input der Assistenzen über die Grenzen der konkreten Aufgaben hinaus war bisher eher unerwünscht gewesen.

Dieser Vorschlag war so offensichtlich unangemessen, dass es mir leicht fiel, ihn spontan abzulehnen. Krise hin oder her, die Generierung von Leads ist keine übliche Assistenzaufgabe.

Außer dieser Unangemessenheit störte mich die unrealistische Erwartungshaltung, die ich im Hintergrund erkannte. Assistenzen bewegen sich normalerweise nicht in Umgebungen, in denen sie Zugang zu den entsprechenden Informationen und Entscheidungsträgern haben. Es wäre mir überhaupt nicht möglich gewesen, einen Beitrag zu leisten.

So fühlte ich meine Möglichkeiten falsch eingeschätzt und mich selbst nicht ernst genommen. Der potenzielle Tauschpartner hatte sich in meinen Augen dadurch diskreditiert.

Weder Angemessenheit noch Glaubwürdigkeit

Dem vorgeschlagene Tauschhandel fehlte also nach den Regeln der bisherigen Zusammenarbeit nicht nur die Angemessenheit, sondern er war auch unglaubwürdig in seinen Erfolgserwartungen. Das machte es einfach, die Situation zu erkennen und abzulehnen.